Frauen unter 45 dürfen nicht arbeiten, Männer nicht handeln: Geht es um den Kampf gegen die Privatwirtschaft, ist Kim Jong Il kreativ. Jetzt vernichtet der nordkoreanische Regierungschef mit einer Währungsreform allerdings die Ersparnisse seiner Bürger – und sorgt damit für Empörung.
Zu behaupten, die Regale in Nordkoreas Geschäften seien gut gefüllt, wäre weit übertrieben: Die meisten Waren sind knapp; wenn die Bürger Reis oder Speiseöl, Hosen oder Schuhe kaufen wollen, müssen sie Berechtigungskarten vorweisen.
Doch seit ein paar Tagen helfen auch die nicht mehr, denn Kaufhäuser und Läden bleiben geschlossen. Der Grund: Die Regierung unter dem “lieben Führer Kim Jong Il” hat eine Währungsreform angeordnet, neue Geldscheine kommen in den Umlauf. Für ihre alten 1000-Won-Noten erhalten die Nordkoreaner jetzt 10-Won-Noten, für einen alten Hunderter einen Won. Bis Sonntag soll die Aktion andauern.
Was aber auf den ersten Blick nach einer Vereinfachung des Geldverkehrs aussieht, hat einen Haken: Die Umtauschsumme ist begrenzt. Nach jüngsten Informationen darf jeder Bürger nur 100.000 Won einwechseln – was nach dem inoffiziellen Kurs rund 50 Euro entspricht. Zwar darf etwa eine vierköpfige Familie 300.000 Won umtauschen. Der Rest des Vermögens aber kann nur auf der Bank deponiert werden – und es ist unklar, wie viel die Anleger später wieder ausgezahlt bekommen und ob sie erklären müssen, woher das Geld kommt.
Und genau das ist ein harter Schlag für viele Nordkoreaner, denn die Reform vernichtet damit ihre Ersparnisse.
Zurück zum beinharten Staatssozialismus
Begründet hat die Führung ihre Entscheidung bislang nicht. Offensichtlich will sie mit dem Streichen von zwei Nullen die Inflation bekämpfen und die marode Wirtschaft stabilisieren. Doch Experten vermuten, dass das nicht der eigentliche Grund für die Währungsreform ist. Kim und die Hardliner im Militär scheinen zurück zu einem beinharten Staatssozialismus zu wollen. Der Nordkorea-Spezialist Rüdiger Frank von der Universität Wien spricht gar von einem “neokonservativen Trend”.
Und das heißt: Alle noch so zaghaften Versuche der vergangenen Jahre, die strenge Planwirtschaft zu liberalisieren, sollen ein Ende finden. Um die fatale Versorgungslage zu verbessern, duldete das Kim-Regime seit 2003 private Märkte. Die Bauern durften Überschusswaren frei verkaufen, an Straßenecken, in Höfen und unter Brücken boten sie Eier, Obst und Gemüse feil. Auch aus China und Südkorea importierte Fahrräder, Fernseher, Kleidung und sogar Mandarinen und Bananen sind mittlerweile zu haben. Im ganzen Land hat sich ein reger Privat- und Schwarzhandel entwickelt.
Vieles ist allerdings nur für Funktionäre, Militärs und Bürger mit Auslandskontakten erschwinglich. Denn ein Kilo Reis kostete vor wenigen Monaten auf dem Tongil-Markt in Pjöngjang um die tausend Won, ein Kilo Schweinefleisch bis zu 3500, ein Kilo Äpfel 2000 bis 4000, sechs Eier waren für 1000 zu haben. Astronomische Preise, wenn man bedenkt, dass die Bewohner Pjöngjangs je nach Beruf offiziell nicht mehr als zwischen 3000 und 5000 Won im Monat verdienen.
Das ist es allerdings nicht, was Kim Jong Il und seine Generäle an den zarten Anfängen der Marktwirtschaft stört. Sie fürchten vielmehr, dass sich immer mehr Menschen durch die privaten Geschäfte der staatlichen Kontrolle entziehen, dass etwa die Bauern das Feld verlassen und sich als Händler verdingen. Kim weiß aus den Erfahrungen der früheren Ostblockländer, wie gefährlich ein neuer Mittelstand für das Überleben des Regimes werden kann.
Liste mit Waren, die nicht mehr verkauft werden dürfen
Deshalb hatte das Regime in letzter Zeit immer wieder versucht, die privatwirtschaftlichen Aktivitäten zu behindern – obwohl das staatliche Verteilungssystem die Bürger nicht mit genug Lebensmitteln versorgen kann. So veröffentlichte das Regime eine umfangreiche Liste mit Waren, die nicht mehr auf privaten Märkten verkauft werden durften. Zudem verbot es Frauen unter 45 Jahren, auf dem Tongil-Markt zu arbeiten. Männer dürfen nicht handeln. Der Markt durfte zudem nur ein paar Stunden am Nachmittag öffnen.
Das aber scheint noch nicht ausgereicht zu haben, deshalb greift Kim jetzt zum nächsten Mittel: “Die Währungsreform will vor allem die neue nordkoreanische Mittelklasse zerstören. Kein Geld, kein Handel, das scheint die Logik zu sein”, schreibt etwa Nordkorea-Experte Frank. Von der Reform verschont bleiben jetzt nur jene, die das Glück haben, ihr Geld in japanische Yen, chinesische Yuan oder US-Dollar umgetauscht zu haben. Denn der Besitz von Devisen ist in Nordkorea nicht verboten.
Ob Kim und seine Generäle damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten, denn es ist unklar, wie die Bevölkerung des abgeschotteten Landes auf die Nachricht reagiert hat. Nach südkoreanischen Quellen gab es Proteste gegen den Zwang zur Geldverringerung – und das sogar in Kims eigenem Regierungsapparat, der Arbeiterpartei.
(Quelle: spiegelonline, www.spiegel.de)