Selbst der Kranich ist voll Kummer

Nirgendwo treibt der Kommunismus so quasireligiöse Blüten wie in Nordkorea: Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA verbreitete jetzt die offizielle Version vom Tod des “geliebten Führers” Kim Jong Il. Ein mythischer Vogel und ein heiliger Berg spielen darin eine entscheidende Rolle.

Der Himmel über dem Paektu leuchtete rot, als das ewige Eis im Kern des heiligen Bergs mit ohrenbetäubendem Getöse barst. Es klang, “als seien Himmel und Erde erschüttert worden.” Ein Menetekel, eindeutig: Wenig später war Kim Jong Il, der “geliebte Führer”, Herrscher über Nordkorea, tot.

Eine Botschaft war zu lesen, von Kim höchstselbst auf den Felsen hinterlassen: “Paektu, heiliger Berg der Revolution. Kim Jong Il.”
Mag die offizielle Version vom Tod des Diktators, in dieser Form verbreitet von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA, deutsche Leser auch an den Off-Kommentar einer Fantasyserie auf Super RTL erinnern – ein himmlischer Gesandter, und als solcher gilt Kim Jong Il in Nordkorea, könnte ja wohl kaum einem schnöden Herzinfarkt zum Opfer fallen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

The dictator formerly known as Kim Jong Il wird von seinen Bewunderern längst der “der helle Stern vom Paektu” genannt. Der Berg wird von Süd- wie Nordkoreanern nicht nur als heilig verehrt, im stalinistisch geprägten Nordkorea gilt er auch als Symbol der Herrscherfamilie. Was ist dagegen schon der Stern von Betlehem?

Doch auch der lässt sich von anderen, in ihrer Zeit ähnlich wirkungsmächtigen Legenden ableiten: Von der der Geburt des Augustus, Alexanders des Großen oder des trojanischen Helden Aeneas – allesamt angeblich von außergewöhnlichen Himmelserscheinungen begleitet.
Die Politik des nordkoreanischen Familienregimes mag steinzeitkommunistisch sein, in der Kunst der quasireligiösen Überhöhung aber steht die KCNA den Vorvätern der abendländischen Kulturgeschichte in nichts nach.

Am Tag seines Todes, auch das vermeldet die KCNA, umkreiste ein Mandschurenkranich, ein asiatisches Symbol der Langlebigkeit, in der nordkoreanischen Stadt Hamhung über Stunden das Denkmal von Kims Vater und Vorgänger Kim Il Sung. Dann flog er mit hängendem Kopf ab in Richtung der Hauptstadt Pjöngjang.

Doch noch ist Nordkorea nicht verloren: Denn auch Kim Jong Un, Spross der dritten Generation der Herrscherdynastie, ist nach KCNA-Informationen ein Sohn des Himmels. Noch genauere Umstände seiner Geburt sind bislang nicht bekannt. Der “große Nachfolger” muss nicht nur die mythische “Blutlinie” fortführen, sondern auch die quasirelgiöse Überhöhung der Familiengeschichte weiterschreiben lassen.
Den spärlichen Informationen nach zu schließen, die aus dem abgeschotteten Land nach außen dringen, könnten die Meldungen der KCNA allerdings künftig weniger blumig ausfallen, dafür vielleicht martialischer.

Kim Jong Un gilt als Fan des Actionstars Jean-Claude van Damme.

Mit Material von Reuters und dpa

Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,805341,00.html

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