Aerobic-Gruppe brachte Hochhaus ins Schwanken

Am 5. Juli 2011 begann ein Hochhaus in Seoul zu schwanken, Menschen flohen aus dem Shopping-Turm. Wissenschaftler wollen nun die Ursache gefunden haben: Eine Aerobic-Gruppe soll mit ihren Bewegungen den Vorfall ausgelöst haben.

Seoul – Zehn Minuten lang schwankte das 39-stöckige TechnoMart-Hochhaus in Seoul, Hunderte Menschen flohen in Panik. Architekten und Wissenschaftler rätselten daraufhin: Was löste die Bewegungen des Shopping-Turms am 5. Juli aus?

Als Forscher eine mögliche Lösung präsentierten, stießen sie auf Unglauben. Im Moment des Vorfalls hatten 17 Erwachsene mittleren Alters im zwölften Stock zum Snap-Song “The Power” Tae-Bo-Übungen gemacht, eine Mischung aus Aerobic und Schattenboxen.Power hin oder her: Konnte diese Gruppe ein Hochaus in Bewegung setzen? Offenbar ja – wenn man den Forschern um den Professor Chung Lan von der Dongguk-Universität in Yongin glauben will.

Am Dienstag stellten sie die Tae-Bo-Stunde vor Journalisten nach. TechnoMart-Sprecher Andy Yang sagte, einige Teilnehmer des Experiments hätten ein starkes Wackeln des Gebäudes gespürt, andere hätten ein leichtes Schwanken bemerkt. Einem Radiosender sagte Professor Chung, das Gebäude aus Eisenträgern habe eine charakteristische Vibration, die “gleichphasig” sei mit den aufeinander abgestimmten Bewegungen der Tae-Bo-Sportler.

Die Behörden hatten den Wolkenkratzer im Bezirk Gwangjin nach dem Vorfall geschlossen, nach einer Sicherheitsüberprüfung aber wieder geöffnet. Auch das Fitnessstudio soll voraussichtlich wieder öffnen – Tae-Bo-Kurse werde es dort aber wohl nicht mehr geben, sagte Cho Byung Joon von der Bezirksverwaltung.

bim/AFP/dpa

Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/seoul-aerobic-gruppe-brachte-hochhaus-ins-schwanken-a-775279.html

Südkoreas neuer Regierungssitz

Alleine in Sejong City

Von Malte E. Kollenberg, Seoul

Sejong City ist Südkoreas ganzer Stolz. Die Retortenstadt, die 2030 fertig wird, soll neuer Regierungssitz und kulturelles Zentrum des Landes werden. Käufer reißen sich schon jetzt um die winzigen Wohnungen. Doch selber leben will dort kaum jemand.

Park Yu Jun ist eine Frohnatur. Ununterbrochen lächelt der 36-jährige Ministerialbeamte. Von seinen Kollegen wird er als “Comedian” bezeichnet. Ein wenig skurril muss es auch gewesen sein, als Park Ende 2011 vom nahe Seoul gelegenen Regierungsviertel Gwacheon ins 120 Kilometer entfernte Sejong City gezogen ist. Als erster Mitarbeiter eines Ministeriums überhaupt.

“Morgens im Shuttle-Bus von Sejong City nach Gwacheon fuhr ich alleine mit dem Busfahrer”, erklärt Park. Er war einer der ersten Einwohner in Koreas Stadt der Zukunft.

Zukunft ist wörtlich zu nehmen, denn bisher existiert lediglich das “Cheot Maeul”, das erste Dorf, des 20 Milliarden Dollar teuren Projekts. Drumherum staubige Straßen, Baustellen, Sand und Einöde. Mitten im Herzen Südkoreas wird die neue Regierungsstadt errichtet. Am Sonntag steigt trotzdem schon einmal die offizielle Eröffnung.

Eine halbe Million Menschen sollen im Jahr 2030 in Sejong City leben. So will es die koreanische Regierung. Dass dieses Ziel erreicht wird, daran arbeitet Lee Jae Kwan. Er ist Direktor der Planungsabteilung im Ministerium für öffentliche Verwaltung und Sicherheit, die für den Ausbau der Stadt zuständig ist. Doch die aktuellen Einwohnerzahlen, die er präsentiert, sind ernüchternd. “6000 Einwohner sind bisher zugezogen, davon ein Fünftel aus Seoul. 2014 werden 10.000 Regierungsmitarbeiter und 3000 Wissenschaftler und Forscher in Sejong City arbeiten”, sagt Lee.

Die Pläne für Sejong City gehen auf den vorherigen Präsidenten Südkoreas Roh Moo Hyun zurück. Um der fortschreitenden Zentralisierung in Seoul zu begegnen, sollte eine Regierungsstadt gebaut werden.

Eine gute halbe Dekade und mehrere Gerichtsentscheidungen später klingt das nicht mehr ganz so ambitioniert. Nur noch ein Teil der politischen Elite Koreas soll aus Seoul hierher verpflanzt werden. Stattdessen entsteht eine Stadt, in der Teile des politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und akademischen Lebens vereint werden sollen.

Neun Ministerien, zwei Regierungsbüros, zwei Regierungsagenturen und 16 staatliche Forschungsinstitute werden dann in der Stadt angesiedelt sein. Dazu Museen, Theater und Konzerthallen sowie akademische und wissenschaftliche Top-Einrichtungen. Lee Jae-kwan bringt es auf den Punkt: “Es geht um die harmonische Entwicklung in Südkorea und eine Entschärfung der Zentralisierung aller wichtigen Einrichtungen in Seoul.”

60.000 Bewerber für 824 Wohnungen

Wer sich letztlich in Sejong City langfristig niederlassen wird, ist jedoch noch überwiegend unklar. Bisher bietet die Stadt außer ein paar Restaurants und Maklerbüros nicht viel. Nur knapp 20 Prozent der Zugezogenen stammt tatsächlich aus Seoul. Die meisten Bewohner sind aus den direkt angrenzenden Gegenden nach Sejong City gekommen. Aus der Hauptstadt werden vor allem Berufspendler erwartet, die während der Woche in Sejong City leben und am Wochenende zurückfahren zu ihren Familien.

Diese Pendler sind die Hauptkunden von Kim Seok Ho. Kim ist Wohnungsverkäufer, trägt Gelfrisur, grauen Anzug und Krawatte. Er muss seriös auftreten, denn er bringt Wohnungen, die es bisher noch gar nicht gibt, an Frau und Mann. Große Probleme hat er dabei trotzdem nicht – im Gegenteil.

Wer in den Ausstellungsraum kommt, hat das große Los gezogen. Im wahrsten Sinne des Wortes: “Ich hätte auch gerne eine Wohnung gekauft, aber ich hatte kein Glück”, erklärt Makler Kim Seok Ho. “60.000 Bewerbungen für 824 Wohnungen sind bei uns eingegangen.” Das Los hat entschieden, wer eine Wohnung kaufen darf. Kim hat es nicht getroffen. Er verkauft nun, was er selber gerne hätte.

“Happy City” mit Startschwierigkeiten

Es sind vor allem die winzigen Wohnzellen, die heiß begehrt sind. Dabei hat kaum ein Käufer vor, selber in die Stadt zu ziehen. Sie wollen in Seoul oder dem nur wenige Kilometer südlich der neuen Stadt gelegenen Daejon wohnen bleiben – und dabei ordentlich abkassieren. Menschen, die nur zeitweise in Sejong City leben, sollen die kleinen Zweitwohnungen mieten. Zu saftigen Preisen.

Der Großteil der Apartments ist lediglich rund 25 Quadratmeter groß. Die Preise liegen 50 Prozent unter denen in der Hauptstadt. In Sejong City sind die Wohncontainer schon ab 90 Millionen koreanischen Won zu haben. Das entspricht rund 60.000 Euro. Wer kauft, geht von einer goldenen Zukunft der Stadt aus – enorme Preissteigerungen der Apartments inklusive.

Makler Lee Gil Su macht in jedem Fall ordentlich Werbung, während er mit einem Investor beim Kaffee ein Projekt bespricht. “Die geografische Lage von Sejong City ist sehr gut. Es liegt genau in der Mitte des Landes. Mehr und mehr Leute werden kommen. Die Lebensqualität wird steigen. Für mich bedeutet das, es werden Werte geschaffen.” Der Makler verkauft eine Zukunft, von der die Stadt noch weit entfernt ist.

Selbst Pionier Park Yu Jun muss zugeben, dass natürlich nicht alles perfekt ist in der Stadt. Oder besser: noch nicht. Am Anfang hätten er und seine Familie sich etwas einsam gefühlt. Doch seit sie sonntags in die Kirche gingen, sei das anders geworden. Sie hätten Freunde gefunden und würden viel mehr unternehmen, seit sie in Sejong City leben. Gerne redet Park nicht über die Startschwierigkeiten. “Mein Motto ist, positiv zu bleiben”, grinst er. Er und seine Familie seien glücklich, dann fügt er hinzu: “Sejong City ist für uns die ‘Happy City’.”

 

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/suedkorea-neue-regierungsstadt-sejong-city-eroeffnet-am-1-juli-a-841245.html

 

Jinro soju is the world’s best-selling liquor

It’s official: Jinro soju is the world’s best-selling liquor
Which makes Korea the world’s drinking capital, obviously
By Max Kim

sojuThe most popular bottle in the world.
When we saw this on the Korean news, we blinked. Then cracked up.
The Millionaires’ Club, an England-based catalog that ranks brands, liquors and spirits, pinpointed Korea’s Jinro soju as the world’s best-selling brand of liquor, based on data collected in 2011.
The rankings are based on yearly aggregate sales in units of nine-liter cases. In order to even make it on to the list, brands need to sell at least 1 million cases a year — no easy feat.
Some 61.38 million cases of Jinro soju were sold last year, easily making it the world’s most heavily consumed brand of liquor.

The numbers

Jinro soju’s landslide victory over a long roll of better-known global liquor giants might be something of a shock: the local Korean distilled rice liquor manufacturer outsold runner-up Smirnoff vodka more than twofold, the latter falling considerably short with 24.70 million cases sold.

Lotte Liquor soju was third on the list, at 23.9 million cases.

Further down the list of 180 brands, Bacardi rum (No. 5) sold 19.56 million cases, Jack Daniel’s whiskey (No. 19) sold 10.58 million cases and Jim Beam whiskey-bourbon sold 5.86 million cases (No. 37).

 

jinro cf

The latest advertisement for Jinro soju. It’s clearly working.

 

And though we all like an underdog success story, believe it or not, this isn’t even Jinro soju’s inaugural or record-breaking win — it’s the untoppled eleventh.
What’s more, Jinro sold 75.99 million cases in 2008.
That means that based on numbers from the last few years, 2011 actually marks a new low in sales.
The reason for the dip?
As Drinks International explains in its Millionaires’ Club brochure, “Jinro suffers from being the dominant brand in a slow growth market.”

Most popular unknown liquor in the world

So what do Jinro’s eyebrow-arching numbers mean, especially considering that most people outside of Asia have never heard of the drink, let alone the brand?

Jinro doesn’t publish a breakdown of percentages of consumption by country, but does say that most of its orders come from Korea (obviously), then Japan, followed by the United States/Canada and Southeast Asia.

“As you know, there aren’t that many spirits with medium-level alcohol content,” said a Hite-Jinro representative. “That, along with the fact that Jinro’s Chamisul soju is a moderate 19 percent alcohol by volume, explains how Jinro has already made a name for itself by being substantially cheaper than other liquors.”

A bottle of soju costs around ₩1,450 (a little more than US$1) at convenience stores and around ₩3,500 (around US$3) at restaurants and bars.

The conclusion might be that the weaker and cheaper the alcohol, the better it sells — in Korea, anyway.

That and the fact that Koreans drink a lot.

Pricing aside, soju’s explosive popularity is also mind-boggling when you take the actual taste into consideration.

“Soju tastes like rubbing alcohol,” said one foreigner who declined to give his name. “I don’t know how Koreans drink it.”

Also on CNNGo: Asia’s most sinful cities 

Where to try it

Forget the fancy soju-based cocktails at Seoul’s five-star luxury hotels.

To drink soju like a local, you need to head to a tent, whether it’s an actual orange tarp or a modernized version with “booking” — single-sex groups scoping out other single-sex groups and combining parties on the spot.

Here’s where to try the world’s best-selling liquor.

Hanshin Pocha (한신포차), 407-23 Seogyo-dong, Mapo-gu, Seoul (서울시 마포구 서교동 407-23); +82 2 3143 0410

Shim Bbongs (심뽕스), 663-23 Sinsa-dong, Gangnam-gu, Seoul (서울특별시 강남구 신사동 663-23 ); +82 2 541 0270

Also on CNNGo: 5 best makgeolli bars in Seoul 

Collated by global research agency Euromonitor International and published by Drinks International, the June 2012 issue of The Millionaires’ Club can be found online at www.drinksint.com

Südkorea testet Gefängnisroboter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prototyp des Robo-Gefängniswächters: Möglichst freundlich sollen die Maschinen wirken

Das sind keine Terminatoren: Südkorea will demnächst Gefängniswächter durch Roboter ersetzen. Wie gut sie bei den Häftlinge ankommen, soll jetzt ein Pilotversuch zeigen.

Geht es um moderne Technik, geht Südkorea mit großen Schritten voran. Das Land hat rasend schnelle Mobilfunknetze, die Versorgung mit Breitband-Internetanschlüssen liegt bei fast hundert Prozent. Die meisten davon funktionieren bereits mit 100 Megabit pro Sekunde, die Umstellung auf ein Gigabit pro Sekunde ist für 2012 geplant. Jetzt will das Land auch bei der Einführung von Robotern eine Führungsstellung einnehmen – sogar in Gefängnissen.

Im März soll es damit losgehen, berichtet der “Korea Herald”. Dann sollen die ersten drei Robo-Wächter im Einsatz erprobt werden. Mit Schrittgeschwindigkeit werden die 1,5 Meter hohen und 70 Kilo schweren Menschmaschinen durch die Gänge der Zellenblöcke patrouillieren. Mit ihren Sensoren, Kameras und Mikrofonen sollen sie dabei kontrollieren, ob die Gefangenen ungewöhnliches Verhalten aufweisen, also beispielsweise gewalttätig sind.

Sollten ihre Sensoren tatsächlich anschlagen, werden sie allerdings nicht selbst aktiv, sondern setzen eine Warnmeldung an das Wachpersonal ab. Stattdessen haben sich die Entwickler Mühe gegeben, die Roboter den Gefängnisinsassen gegenüber so freundlich wie möglich erscheinen zu lassen. “Diese Roboter sind keine Terminatoren”, sagt der Leiter des Forschungsprojekts, Professor Lee Baik-chul von der Universität Kyonggi.

Vielmehr sollen sie Hilfe bieten, “wenn ein Gefangener in einer lebensbedrohenden Situation oder ernsthaft erkrankt ist.” Bei Gefahr können die Insassen die Blechpatrouille auch als Notrufsäule nutzen, um die Wachen zu informieren.

Das Pilotprojekt kostet eine Milliarde Won

Einen Monat lang werden die elektronischen Schließer die Nachtschichten in einem Gefängnis in Pohang in der südkoreanischen Provinz Gyeongsang übernehmen. Ihr Einsatz soll die Wächter aus Fleisch und Blut entlasten, deren Idee der Robotereinsatz ursprünglich war. Langfristig erhofft sich die Staatskasse von dem Projekt Einsparungen bei den Personalkosten.

Vorerst aber muss in die neue Technik investiert werden. Eine Milliarde südkoreanische Won, rund 650.000 Euro, wird das Pilotprojekt kosten. Und es ist nur eines von vielen, mit denen in Korea die Verwendung von Robotern im Alltag getestet wird. Bereits jetzt, berichtet das südkoreanische Wirtschaftsministerium, machen Unternehmen wie Samsung in ihrem Heimatland mit Robotern einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro.

So werden in einigen Schulen bereit Roboter im Sprachunterricht eingesetzt, in Supermärkten sollen Roboter Kunden auf Sonderangebote hinweisen und auch Überwachungsroboter stehen hoch im Kurs. Langfristig hofft man, Roboter in der Altenpflege und eines Tages auch im Haushalt einsetzen zu können.

Dass die möglichst menschlich und nett wirken sollen, ist selbstverständlich. Aber der menschliche Faktor beschäftigt auch die Entwickler um Lee Baik-chul noch sehr. Ihre Hauptarbeit während der Vorbereitung auf das Pilotprojekt besteht jetzt darin, sagt er dem “Wall Street Journal”, den Maschinen ein “menschlicheres und freundlicheres” Äußeres zu geben.

mak

Source: spiegel-online.de

Plaene fuer Seoul

Radikalumbau eines Molochs
Grün, grüner, Seoul

South Korea US Architect
Travel Trip Seoul on a Budget
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22 Millionen Menschen leben in Seoul – jahrzehntelang ein Moloch, grau und voller Autos. Doch Stadtplaner entwickeln hier für viel Geld die Metropole der Zukunft: grün, lebensfroh und mit großen Träumen. Kann der Westen in Südkorea lernen, wie der Öko-Umbau einer Megacity funktioniert?

Wie ein Revolutionär oder Weltverbesserer tritt Kim Ki Ho nicht gerade auf. Der angegraute Hochschulprofessor aus Seoul lächelt viel, während er redet. Jackett und Schlips sitzen korrekt, der Scheitel auch. Er spricht mit leiser Stimme und wirbt geduldig für seine Ideen. Aber was er sagt, ist geradezu umstürzlerisch.

“Zu Fuß gehen ist ein Gefühl von Freiheit”, sagt Kim. Und weil das Leben in Seoul mit Freiheit “nichts zu tun hat”, geht der Hochschullehrer in die Offensive. Er will seine Stadt, diesen Moloch aus Asphalt, Autos und Abgasen, wieder menschlich machen.

Kim will eine freie und Fußgängerstadt Seoul. Ein wahrlich umwälzender Plan.

Das Wort des 57-Jährigen hat Gewicht. Der Professor für Stadt- und Raumplanung an der Universität Seoul ist eine Art graue Eminenz. Er hat in Aachen Architektur und Stadtentwicklung studiert, er ist international gefragter Experte in seinem Fach, und er entwirft in einer Planungskommission im Rathaus Visionen fürs Überleben in der Megastadt. Und er hat es geschafft, Gehör zu finden.

Die Metropole mit mehr als 22 Millionen Menschen erstickt fast an ihrem Wachstum, doch dieses Jahr präsentiert sie sich als Vorbild für einen Richtungswechsel. Als “Welt-Designhauptstadt”, die zweite nach Turin 2008, will sie ein Modell und das “Innovationszentrum der Zukunft” sein.

Hektik, Lärm und Abgase

Seoul soll schöner und grüner werden und Design als Schlüssel dafür dienen. Nicht immer neue Glitzerfassaden sind gefragt, sondern Fußgängerboulevards und verkehrsberuhigte Zonen. Ein Experiment, das wegweisend für andere Megacitys von Jakarta bis Mexico City sein könnte.

Der Richtungswechsel ist für Seoul dringend geboten. Fast die Hälfte der 48,5 Millionen Südkoreaner lebt inzwischen hier, in einem der größten Ballungszentren der Welt. Der Takt in dem brodelnden Kessel wird bestimmt von einem immergleichen Puls aus nimmermüder Betriebsamkeit und hektischem Lärm, vom frühen Morgen bis in die tiefe Nacht.

Seoul ist Verkehr, Seoul ist Verdrängungswettbewerb. Fahrzeuge gegen Fußgänger. Mehr als 2,5 Millionen Autos sind allein in der Hauptstadt registriert, Zigtausende Busse und kaum noch zu zählende Motorräder und Roller bewegen die Menschenmassen durch die Stadt. “Das Leben hier ist ein Kampf”, sagt die junge Politikwissenschaftlerin Kang Bo Ra. “Eine Stunde Spazierengehen ist wie eine Packung Zigaretten rauchen”, sagt Stadtentwicklungsforscher Bahk Hyun Chan.

“Bummeln ist ein sehr schönes Wort, das es in vielen Sprachen so eigentlich nicht gibt”, sagt Experte Kim. “Schon gar nicht auf Koreanisch.” Der Uni-Professor will deshalb die letzten noch nicht wegsanierten Altstadtviertel unbedingt erhalten. Nicht nur wegen ihrer mehr als 600 Jahre alten Geschichte, sondern auch wegen der alten, nicht massenverkehrstauglichen Gassen. Er möchte außerdem mehr und bessere Fußwege, Zebrastreifen, Einbahnstraßen, Fußgängerzonen, Fahrradwege.

Basisdemokratie bis heute ein Fremdwort

Professor Kim steht an der Spitze der Bürgerinitiative Dosi Yondae, was so viel bedeutet wie “Union für eine fußgängerfreundliche Stadt”. Das ist an sich schon bemerkenswert für Korea, wo bis Ende der Achtziger noch die Militärs politisch den Ton angaben und Basisdemokratie bis heute ein Fremdwort ist. Dass er aber auch noch das offene Ohr von Bürgermeister Oh Se Hoon, 49, gefunden und dieser Seoul eine Art ökologische Schönheits-OP verordnet hat, ist überraschend.

“Wir müssen eine neue Balance finden”, sagt Oh. Die Stadt soll wieder zu einem “harmonischen Raum” für Arbeit, Menschen und Natur werden. Viel zu lange sei die Umwelt den wirtschaftlichen Interessen geopfert worden. Nun stehe man an einem “bedeutsamen Wendepunkt”.

Oh spricht gern von seiner Vision für Seoul als “soft city”, in der die Kreativwirtschaft zuhause ist, Kultur und Stadtentwicklung eine neue Rolle spielen und Menschen nicht nur zum Arbeiten leben. Er ist überzeugt: “Design hat die Kraft, die Welt besser zu machen.” Deshalb krempelt er die Stadt um.

Designzentrum mit Grünflächen

Auf dem rund 85.000 Quadratmeter großen Gelände des früheren Dongdaemun-Baseballstadions, das umgeben war von Hunderten kleiner Schneidereien und Wäschestuben, soll für mindestens 250 Millionen Dollar ein hochmodernes Zentrum für Mode und Design entstehen. Herzstück wird ein raumschiffähnliches Monstrum aus Stahl und Glas mit Kongress- und Veranstaltungssälen, Modeschulen und Ausstellungsflächen, das die britische Stararchitektin Zaha Hadid entworfen hat.

Ein weiteres Herzstück wird ein großer Park, der die schier endlosen Autoströme aus dem Zentrum zurückdrängen soll. Für Südkoreas bislang rücksichtslos prosperierende Metropole sind das ganz und gar neue Perspektiven.

Mangels Raum wuchs Seoul bislang statt in die Breite vor allem in die Höhe, in spargelförmigen, tristen Wohntürmen, dicht an dicht: ein Stadt gewordener Alptraum aus Glas, Stahl und Beton.

Aber sie wuchs auch nach unten.

Zum Dinner in die Unterwelt

Seoul – das sind praktisch zwei Städte: jene über der Erde, aber auch eine schillernde Unterwelt. Wo immer ein Abstieg unter die Erde möglich ist, an Zugängen zum weit verzweigten U-Bahnsystem zum Beispiel, verbinden lange Einkaufspassagen die Bahnhöfe. Unter riesigen Straßenkreuzungen, in Unterführungen, aber auch unter Bürohäusern oder Hotels gibt es quirlige traditionelle Märkte und blühende Dienstleistungszentren.

Fitnessstudios, Clubs oder Restaurants wie das beliebte “Hofbräuhaus” im Büro- und Amüsierviertel Gangnam locken oberirdisch oft nur mit einer schmalen Tür, dahinter beginnt der Abstieg.

Bürgermeister Oh mag nicht, wenn sein Berater Kim von einer “Verdrängung der Fußgänger unter die Erde” spricht. Für Oh hatte die “unterirdische Stadtplanung” einen ganz eigenen Stellenwert: “Wir mussten unseren Platz hundertprozentig ausnutzen.” Doch das war gestern.

Heute ist alles anders. Wettbewerbsfähigkeit ist wichtiger denn je, glaubt Oh, “aber nur eine Stadt, in der man gern leben möchte, ist auch eine Stadt, in der man gern investieren möchte”.

Oh ist ein Dauerlächler, der immer nett wirkt und wegen seines jungenhaften Charmes gut ankommt. Für seinen Masterplan suchte der Jurist Nachhilfe in Europa. Er war in Mailand, Brüssel oder Graz, er informierte sich auch in Hamburg über die neue Hafencity. Wieder zu Hause stellte er fest, dass sich auch das Bewusstsein seiner Landsleute verändert hat. “Unsere Menschen wollen endlich Freizeit genießen und sich wohl fühlen können”, glaubt er.

Es war Ohs Vorgänger Lee Myung Bak, der solch “neuem Denken” den Weg bereitet hat. Der heutige Präsident erkannte, dass Seoul mit einer der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt nicht grenzenlos weiter wachsen konnte. Lee stellte das öffentliche Verkehrssystem um. Er organisierte Express-Routen für Busse und schuf für sie eigene, staufreie Fahrspuren.

Lee ließ zentrale Verkehrsknotenpunkte beruhigen und ein zubetoniertes Flüsschen im Zentrum reanimieren, den Cheonggyecheon. Er war 1961 erst begraben und dann durch einen mehrspurigen Expressway ersetzt worden. Die sechs Kilometer lange Autobahn führte auf Stelzen quasi durch die Wohnzimmer im Herzen Seouls. Für umgerechnet rund 300 Millionen Euro ließ Lee sie abreißen. Seit gut vier Jahren fließt der Bach wieder auf knapp vier Kilometer Länge und wurde zum Symbol des grünen Aufbruchs.

Oh steht am Fenster im Rathaus und schaut hinab auf eine riesige Rasenfläche, der die Beamten eine für Seouler Verhältnisse geradezu gespenstische Ruhe genießen lässt. Es ist noch gar nicht lange her, da lag die Stadtverwaltung noch an einer der schlimmsten Verkehrsinseln der Stadt. Sechs mehrspurige Hauptstraßen aus allen Himmelsrichtungen trafen sich hier zu einer sternförmigen Riesenkreuzung und umnebelten den Jahrhunderte alten Königspalast Deoksu schräg gegenüber mit einer Dauerwolke aus Abgasen.

Umweltfreundlichkeit als Markenzeichen

Oh ließ andere Verkehrsknotenpunkte im Zentrum beruhigen, unscheinbare Nebenstraßen mit Fußwegen aufhübschen, Grünflächen und Springbrunnen anlegen. Die fußgängerfreundliche Umgestaltung von zunächst 20 wichtigen Straßen der Stadt ist Teil des offiziellen Design-Programms.

“Natürlich bleiben Wirtschaft, Verkehr und Bildung sehr wichtig”, sagt der Bürgermeister – aber “um die Zufriedenheit der Bürger zu steigern, sind Umwelt und Kultur die wichtigsten Faktoren”. In fünf bis zehn Jahren will er Seoul zu einer fußgängerfreundlichen Stadt gemacht haben: “Umwelt soll zu unserem neuen Markenzeichen werden.”

Im Vergleich zu Lees Verkehrsmaßnahmen klingen Ohs Visionen geradezu revolutionär. So will er das “Wunder vom Hangang” vollbringen und die Uferlandschaften des mächtigen Han-Flusses für Mensch und Freizeit rekultivieren. Der mächtige Strom durchschneidet die Stadt von Ost nach West mit rund 50 Kilometern Ufer. Acht- bis zehnspurige Autopisten säumen den Hangang auf beiden Seiten und teilen die Stadt wie eine Demarkationslinie, zum Teil auf Betonstelzen.

Nun soll der Strom zum “neuen Symbol” werden. Oh will mit einer gewaltigen Kraftanstrengung die “Natur entlang des Flusses für die Menschen zurückgewinnen” und zum Paradies für Fahrradfahrer und Jogger entwickeln. Hochhausquartiere sollen zu Wasserfront-Vierteln und die “Hauptstadt zu einer Hafenstadt umgestaltet” werden.

Libeskind baut Giga-Wolkenkratzer

Teil des Plans ist ein neues Wohn- und Geschäftsviertel in Yongsan, das Stararchitekt Daniel Libeskind entworfen hat. Archipelago 21 heißt das Potpourri aus Wohnsilos, Büros und Grünanlagen im Stadtbezirk Yongsan. Den Mittelpunkt soll spätestens 2017 ein 640 Meter hoher Wolkenkratzer bilden, einer der höchsten der Welt. Dafür muss die Autobahn am Nordufer, verkehrte Welt, zum Teil unter die Erde in kilometerlange Tunnel gelegt werden. Dass solche Pläne technisch und finanziell schier unglaublich klingen, stört Oh nicht. “Die Zustimmung der Menschen zeigt, dass wir überzeugen können”, sagt er.

Bevor er vor dreieinhalb Jahren zum Stadtoberhaupt gewählt wurde, war der Jurist nicht nur renommierter Ökoanwalt. Er war auch streitbares Mitglied der größten Umweltinitiative Seouls. Er wechselte nur die Seiten, nicht aber seine Überzeugung. Für die ist Oh bereit, politisch weit zu gehen.

Wie weit? Im Frühsommer sind Kommunalwahlen in Seoul, da will und muss er wieder gewählt werden. Denn Oh Se Hoon hat noch Großes vor: Er möchte seinen Vorgänger ein weiteres Mal beerben. Als Staatspräsident. Das wäre Anfang 2013.

Quelle: Spiegel Online 05.02.2010
Von Manfred Ertel

Link: http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,676024,00.html